14.06.2003, 18:28
Review www.plattentests.de
Zitat:Metallica haben es erneut geschafft. Mit jeder Veroeffentlichung das meistdiskutierte Album des Jahres vorzulegen, ist schliesslich schon eine Meisterleistung an sich. Und auch diesmal kommt es, wie es kommen musste und immer kommt: Die Fans der ersten Stunde kriechen aus ihren Loechern hervor, lugen durch ihre seit "Kill 'em all" offenbar weder gestutzte noch gewaschene Matte und faseln irgendwas Unverstaendliches von "Ausverkauf". Andererseits haben wieder ganze Scharen von Fans am rot im Kalender markierten 05.06. vor den Plattenlaeden campiert, um "St. Anger" als Allererste in den Haenden zu halten. Und schon jetzt, wenige Tage nach der Veroeffentlichung, gibt es zu dieser Platte garantiert schon genausoviele kontraere Meinungen wie Eigentuemer.
Worueber sich alle einig sein muessten: "St. Anger" ist ein Brett. Zurechtgepruegelt mit Hilfe von Kettensaege, Vorschlaghammer und groben, dreckigen Maennerhaenden. Faust auf Faust, hart auf hart. Mit aller Kraft wollen Metallica den dank ihres Kuschel-Metal-Experiments "S&M" und halbgarer Softie-Alben wie "Re-Load" erlangten Ruf als Weicheier wieder loswerden. "Frantic" eroeffnet diesen eindrucksvollen Beweis, dass man auch mit 40 (Lenzen) noch auf 180 (Sachen) kommen kann. Das Schlagzeuggewitter bricht los, kommt sechs Minuten lang nicht zur Ruhe, und zwischen dem eindringlich wiederholten "You live it or lie it" scheint Hetfield zu bruellen "HoeR! DAS! LAUT!" Dem Wunsch kommt man gerne nach.
Bis zum Anschlag aufgedreht, offenbart auch die Videosingle "St. Anger" maechtige Qualitaeten. Siebeneinhalb Minuten lang knueppeln sich Metallica durch drei passgerechte Parts, von denen einer mehr knallt als der andere. Hier scheint sich jemand das letzte System Of A Down-Album genauestens angehoert haben. Und sich an das neue Jahrtausend anzubiedern, ohne peinlich zu wirken. Metallica 2003 verbinden die brachiale Gewalt aus der Anfangsphase mit der Wut der neuen Generation. Und brauchen fuer zeitgemaessen Metal weder Masken noch Scratches, sondern einfach nur ehrliche oder auch mal aufgesetzte Wut. Und so viel Geschwindigkeit wie nur geht. Gerne auch in Form von purem, stumpfsinnigem Geknueppel wie "Sweet amber" oder "Dirty window", die in etwa so subtil wirken wie ein Faustschlag von hinten.
Ganze sechs Mal ueberschreiten Metallica die Sieben-Minuten-Marke. Waehrend "Invisible kid" mit seinen Hoehen und Tiefen fast schon enfernt an Tool denken laesst und auch das straighte "Some kind of monster" keine Sekunde langweilig wird, verbirgt sich das wahre Opus Magnum hinter "The unnamed feeling". In bester "Unforgiven"-Manier wagen Metallica den Rundumschlag und schlaengeln sich durch unzaehlige Laut-/Leise-Passagen und mystische Lyrics. "Cross my heart, hope not to die / Swallow evil, ride the sky / Lose myself in a crowded room / You fool, you fool, it'll be here soon", roehrt Hetfield und freut sich ueber die zweite potentielle Single zwischen all den harten, schwer verdaulichen Brocken.
Das groesste Fragezeichen jedoch wirft die Produktion auf: Das Schlagzeugt scheppert, die Gitarren matschen, und Hetfield klingt stellenweise so dumpf, als ob man ihm ein Pflaster quer ueber den Mund gepappt haette. Vermutlich hat es Metallica einen Mordsspass bereitet, in einem suendhaft teuren Studio die Dollars zu verschleudern, um ihr Album am Ende doch nach Lowest Budget klingen zu lassen. Nicht einmal, wenn sie sich auf der beiliegenden Bonus-DVD im duesteren Proberaum noch einmal durchs ganze Album pruegeln, nimmt man einer Stadion-Band wie Metallica so viel Garagen-Appeal ab. Und doch passt der Sound-Brei bestens zur brachialen Gewalt von "St. Anger". Metallica spalten. Die Schaedel und die Meinungen. Sind sie zu hart, bist Du zu weich.