24.10.2007, 23:05
Label: Perverted Taste (6 verwandte Reviews)
Veroeffentlichung: 1.4.2007
Spieldauer: 41:37
Musikstil: Pagan/Viking Metal
Homepage: http://ziuwari.de
MENHIR sind unangefochten die Urvaeter der thueringischen Heidenklaenge. Und dies beweisen sie mit ihrer lang herbeigesehnten Neuerscheinung "Hildebrandslied" mehr als genug! Sieben Lieder koennen so verdammt kurz sein und doch so aussagekraeftig und intensiv wie ein archaischer 1000-Seiten Foliant. Die "Hildebrandslied" ist unerreichbar. Unendlich schoen, trauer-tragend melancholisch und so voller kuenstlerischem Koennen und tiefer Verbundenheit zu Besungenem, dass es einem fast das Herz zerreissen moechte.
Nach einer 12jaehrigen Bandgeschichte ist dies das Werk mit dem sich MENHIR selbst die Krone aufsetzen. Ob es nun "Die Ewigen Steine"; Buchonia", Thuringia" oder "Ziuwari" sind - in der "Hildebrandslied" fliessen alle Elemente und Essenzen der vergangenen Alben zu einem perfektionierten Ganzen zusammen.
Schon "Das Alte Lied Des Windes" ist einfach grandios. Dieses Gespuer fuer Melodie, sei es nun beim Gesang oder den Gitarren, ist einfach ein Talent der Band. Sechs Minuten verfliegen mit den Zeilen und glimmen dennoch im Kern des Geistes weiter. Einfach vollkommen; so auch beim zweiten Lied "Des Kriegers Gesicht - Ulfhednar". Praegnant ertoent wie immer die Gesangsmelodie, bzw. der Gesang im Vordergrund und der eigene Aufbau der Songstrukturen traegt mit dazu bei, dass es nie langweilig oder eintoenig wird.
Das in zwei Teile gegliederte Hildebrandslied hingegen schafft dann was nur wenige Lieder vollbringen. Mit einer ungezuegelten Intensitaet und Leidenschaft fleht und beklagt Heiko mit seinem meisterlichen Gesang das tragische Geschehen und vermag es so die historischen Ereignisse in die jaehe Gegenwart zu projizieren um den Hoerer unmittelbar an den einstigen Begebenheiten teilhaben zu lassen.
Zur Erinnerung:
Bei dem Zusammentreffen ihrer beiden Heere erkennt der Sohn (Hadubrand) den Vater (Hildebrand) nach dessen jahrelanger Abwesenheit nicht wieder und die schicksalhafte Situation eskaliert in einem dramatischen Zweikampf.
Gerade beim ersten Teil des Hildebrandliedes komme ich mir fast irr vor mir anmassen zu wollen, Gehoertes irgendwie in Worte fassen zu koennen.
Wenn man es vermag einen geschichtlichen Text in einen derartig perfekten musikalischen Kontext zu kleiden so zeugt dies nicht von einem beliebigen historischen Interesse sondern beweist vielmehr das tiefe Verstaendnis und die wahre Erkenntnis um die Wichtigkeit eines solchen ueberlieferten Textdokumentes.
Das ist Epik in ihrer Vollendung. Ein Lied, eine Melodie welche die Zeiten sehr wohl ueberdauern wird. Denn was sich, eingeleitet durch ein kurzes Intro, zu Beginn zweieinhalb Minuten truegerisch erhaben und frohgemut seinen Weg durch die Gehoergaenge bahnte, nimmt nach drei Minuten eine unsagbar tragische Wendung die sich ohne Verluste ihren Weg ins trauernde Herzen schlaegt und schlagartig wird man sich des dramatischen Ausmasses des Ereignisses bewusst. Diese Klaenge sind schonungsloser als jeder todbringende Pfeil mitten ins Herz. Ein Brennen erfuellt die Brust, die Gewissheit ist zur trunkenen Verzweiflung erwachsen und alte Taten scheinen auf ewig unvergessen, unverziehen. Dieses Lied alleine verdient seine 10 Punkte.
Respekt auch dafuer, jenes in althochdeutscher Sprache (in Form einer sehr eigenen altsaechsisch-bairischen Mischsprache) erhaltene Dokument zu vertonen und gesanglich vorzutragen. Dieses ohne Frage schwierige Unterfangen duerfte wohl den Grossteil der Aufnahmezeit auf sich genommen haben und dennoch scheint es als haette Heiko nie in einer anderen Sprache gesungen.
Der zweite Teil hingegen erklingt, erstaunlich ruhig und stark von mittelalterlichen Klaengen beeinflusst, als akustisches Instrumentalstueck. Und auch wenn es zu Beginn fast befremdlich an dieser Stelle wirkt, so entwickelt es durch seine nostalgische Gestaltung sogleich eine strahlende Anmut. Inhaltlich befinden sich beide Maenner an dieser Stelle in jenem entscheidenden Dialog der den Kampf beider zur Folge haben wird. Durch den Liedaufbau wird das Geschehen nun auf eine uebergeordnete Sphaere gehoben, welche die beiden in ihrem Tun vom Rest der Welt abzuschotten scheint. Eine tragende Geigenmelodie kuendet vom kommenden Unglueck, energischer wird das Lied alsbald beide hitzig aneinandergeraten...
Das letzte Lied "Weit In Der Ferne" rundet jenes meisterliche Erzeugnis fliessend und stilvoll ab, prophezeiend, dass es eines Tages weitergehen wird. Ein wuerdiger Ausklang fuer ein ausserordentliches Album! Ach, man koennte Worte noch und noecher ueber Enthusiasmus, Inbrunst und den Detailreichtum verlieren, mit dem das Album erdacht und gestaltet wurde. Das grosse, auffallende A5 Format (im Digipack) oder das aufwendig bebilderte Booklet (die Bandmitglieder natuerlich in historischer Gewandung, teils hoch zu Ross) welches nicht nur alle Texte, sondern sowohl eine Kopie des Originaldokumentes und eine Erklaerung der Bedeutung des Hildebrandslied enthaelt, als auch eine deutsche uebersetzung, sind beispielsweise zu nennen.
Was das Album jedoch zu einem Perfekten werden laesst ist das grosse Ganze, entstanden durch diese zahlreichen kleinen Genialitaeten. MENHIR komponieren einfach durchweg intensive und eindringliche Lieder die in hoechstem Masse ausdrucksstark, ja sentimental durch gezielte Betonungen von der Leidenschaft fuer ihre Sache sprechen. Wie keine Zweiten vermoegen sie mich seit jeher mit ihren aussergewoehnlichen Melodien zu fesseln, zu bannen. Dabei sprechen sie allein durch ihre Klangfarben und meistens ist es nur eine winzige Melodie die derart viel Emotionen in sich wahrt, dass sie dadurch mehr als nur einen Wiedererkennungswert in sich birgt. Musik eben, die jeder wahrlich ohne Worte versteht!
Enden kann ich nur mit einer ernst gemeinten Aufforderung an alle Interessierten sich dieses Werk schnellstmoeglich zuzulegen!
...und ich freue mich, in meinem 100. Review 10 Punkte vergeben zu koennen.
"Und wird auch nichts bleiben
von all unserem Tun,
wird nichts geschrieben
und wir ewig ruhn.
Und doch des gleichen wuerden wir
des edlen wieder tun."
(2. Lied, "Des Kriegers Gesicht")
Quelle: http://www.metalglory.de/
Nachtrag von mir: Eigentlich habe ich dem Review nichts hinzuzufuegen. Das Album wird auf Jahre die Referenz des Genres bleiben. Ich hoere es beinahe taeglich und es jagt mir immer noch schauer ueber den Ruecken. Ein Meisterwerk!