18.10.2007, 07:51
Tracklist:
01. Into Breathless Sleep
02. Der Dolch im Gewande
03. Staub und Erinnerung
04. Daemmerung der Szenarien
05. Hordes from the Dark Star
06. Nebelbrandung
07. Harmatia
08. Reich der fahlen Seelen
09. The Night Whispers To The Wise
10. Waiting
Spielzeit: 51:03
Verdammte Axt, offenbar hat meine penetrante Meckerei (siehe Review zu IMPERIUM DEKADENZ erstem Album "... und die Welt ward kalt und leer" aus dem April 2006) doch gefruchtet. Horaz und Vespasian hinken in ihren praetentioesen Kuenstlernamen mit dem zweiten Album nicht mehr hinterher und schwingen sich zu ernstzunehmendem Dichter und umsichtigem Kaiser auf. Zum einen sind die Texte frei von pompoesem Melancholiekitsch und erzwungenen Reimen und bestechen stattdessen mit lateinischen Passagen, nachdenklicher Stimmung und literarischen Anklaengen. Zum anderen sind die Kompositionen tatsaechlich kaiserlich bombastisch und machen IMPERIUM DEKADENZ zu den ueberraschungsherrschern in der deutschen Black-Metal-Szene des Jahres 2007.
Sicherlich ist das nicht zu glauben, und selbstverstaendlich werden in fuenf Minuten Geruechte ueber Bestechungsgelder an metal.de grassieren. Ich muss Euch aber enttaeuschen, das Album ist verdammt gut, auch ohne dass ich Gefaelligkeit annehmen muss, und das habe ich schon alleine wegen meiner natuerlichen Skepsis deutschen Bands gegenueber mehr als ein Dutzend Mal ueberprueft. Nicht nur die unglaublich charmante, transparente und drueckende Produktion macht das Hoeren von der erste Minute an zum Genuss, auch die Tatsache, dass jedes Stueck fuer sich eine eigenstaendige Identitaet entwickelt hat, ist ein aussergewoehnliches Attribut, das man nicht genug hervorheben kann - und das ich im einzelnen beschreiben muss.
"Der Dolch im Gewande" ist natuerlich keine Vertonung der "Buergschaft", handelt aber trotzdem von Kaisermord, den man durchaus symbolisch sehen kann. Musikalisch haben wir es mit einem Midtemposong zu tun, der ein wenig an Alt-WINDIRs windige Leadgitarren erinnert und sich auch ansonsten vorwiegend nordisch gibt. "Staub und Erinnerungen" dagegen ist achtminuetige Slow-Motion-Dunkelheit mit wunderbaren Gitarrenharmonien und einem saugeilen Arrangement, das das Licht Lux fuer Lux abgraebt, durch einen hoffnungsvollen Akustikgitarrenmittelteil, erneut in wuchtige Riffs und geradewegs hinaus in Richtung Titelsong fuehrt. Der ueberrascht erneut mit glasklaren Akustikgitarren, die renaissancehaft klingen und gleichzeitig an die erste CARPATHIAN-FOREST-Mini ("The Eclipse/The Raven") erinnern. Wer danach nach Black Metal lechzt, bekommt "Hordes From The Dark Star" vor den Latz, ein in Reverb getraenktes Stueck, in dem einerseits die kauzigen Doublebassparts von "Dark Medieval Times" wieder aufleben, andererseits eine wunderbare seichte Sologitarre elegisch ausleitet. Eine Kombination, die ich selten so gehoert habe.
"Nebelbrandung" leitet sakral den zweiten Teil des Albums ein und ist mit einem einfach nur genialen Synthesizereinsatz zu einem monotonen Mainriff und Schreien aus der Tiefe der Boxen das wahrscheinlich beste Stueck des Albums (und erinnert mich, wenn ich das dreisterweise anmerken darf, an zwei Songs einer anderen Band, deren Titel "Winters Schwingenschlag" und "Patina" lauten). Die Melodien sind niegehoert und doch seltsam bekannt, der Aufbau des Lied natuerlich emotional und schluessig, was das Mitschwingen in der weltfremden Stimmung ganz einfach macht. Die Gitarren roehren ideal, das Schlagzeug ist kreativ gespielt und auf das Notwendige reduziert, die Riffs vielschichtig und maeandernd. Wahrscheinlich einer der besten Black-Metal-Songs dieses Jahres. "Harmatia" aehnelt auffallend dem Titelstueck, auch in Schoenheit und positiver Anmut. Das gilt kein bisschen fuer "Reich der fahlen Seelen", das kuerzeste und vielleicht gewoehnlichste Stueck des Albums, zu dem IMPERIUM DEKADENZ auch gleich ein Video auf die Beine gestellt haben (nett anzuschauen, allerdings keine Offenbarung). "The Night Whispers To The Wise" ist der letzte Hoehepunkt einer grandiosen Platte: die Stimmung kippt von BORKNAGAR-Epik um in einen stampfenden, folkhaften Part, wie ihn KAMPFAR vor zehn Jahren nicht besser gemacht haben und verliert sich dann in einem schwelgenden Sologitarrenpart, der auch neueren KATATONIA gut zu Gesicht stuende. "Waiting", ein Pianostueck, drueckt aus, was ich mir fuenfzig Minuten lang denke: wenn das Album vorbei ist, muss ich eineinhalb Jahre auf ein neues warten.
Dass ein so intensives Album, dazu noch von einer deutschen Band produziert, vollkommen unerwartet im Black Metal einschlaegt, ist etwas, das ich erstmal verdauen muss. "Daemmerung der Szenarien" ist ein erwachsenes, reifes und vielseitig-homogenes Beispiel dafuer, in welche Regionen man Black Metal tragen kann, und dass es nicht immer beschissene Proberaumaufnahmen und vorgegebene Klischees sein muessen, damit Stimmung aufkommt. Im Gegenteil. Ganz bezeichnend ist, dass dieses Album ohne einen einzigen Blastbeat (!), ohne schlechte Produktion, Gastmusiker, Schminke, Koks, Selbstverstuemmelung und dicke Fresse auskommt. Manchmal reicht es eben doch, einfach nur gute Musik zu machen und hart an sich zu arbeiten. Wenn so ein Quantensprung noch einmal moeglich ist (der letzte fehlende Punkt zur Hoechstwertung soll Ansporn sein), koennen sich einige selbsternannte Koenige des deutschen Black Metals warm anziehen. (Quelle: metal.de)
Persoenlicher Nachtrag:
Nach dem recht schwachen Vorgaenger haben mich Imperium Dekadenz wirklich ueberraschen koennen. Gluecklicherweise habe ich dem Album dann doch eine Chance bekommen. Man bekommt sehr guten deutschen (melodischen) Black Metal geboten. Koennte es in meine Black Top5 des Jahres schaffen. Die neue Helrunar steht ja schon vor der Tuer.
Meine Wertung: 8.5/10
Hoerbeispiele: http://www.myspace.com/imperiumdekadenz
SATAN WORSHIPPING DOOM