10.07.2006, 22:48
![[Bild: 0,1020,574480,00.jpg]](http://www.spiegel.de/img/0,1020,574480,00.jpg)
Sowohl Rudi Carrells Vater als auch sein Grossvater waren im Showgeschaeft taetig – er selbst sprang mit siebzehn Jahren in einem Gastspiel fuer seinen Vater ein.
In den Niederlanden wurde er mit der Rudi Carrell Show, die 1959 startete, sehr schnell populaer. Er gewann 1964 die silberne Rose von Montreux.
Beim Eurovision Song Contest 1960 erreichte er (unter seinem buergerlichen Namen) den 12. und damit den vorletzten Platz.
1965 lief die Rudi Carrell Show bei Radio Bremen zum ersten Mal im deutschen Fernsehen. Seither praegte und beeinflusste er die deutsche Fernsehunterhaltung und stand neben Kollegen wie Peter Frankenfeld und Hans-Joachim Kulenkampff fuer die „Grosse Samstagabendshow“. 1974 wurde die Rudi Carrell Show durch die Sendung Am laufenden Band ersetzt, bei der am Schluss der Gewinner diejenigen Gewinne mit nach Hause nehmen durfte, an die er sich noch erinnern konnte, nachdem sie auf einem Foerderband an ihm vorbei transportiert worden waren.
In den 1970ern war Carrell ein guter Nachbar von Saenger-Gitarrist Bobbejaan Schoepen. Er spielte zwei Jahre lang in seiner Show im Varieté des Freizeitparks Bobbejaanland.
Rudi Carrell trat Anfang der siebziger Jahre zusammen mit dem damals 18-jaehrigen Ilja Richter in verschiedenen deutschen „Schlager- und Schnulzenfilmchen“ wie z. B. Tante Trude aus Buxtehude, Wenn die tollen Tanten kommen, auf. Carrell und Richter bildeten damals ein recht erfolgreiches Komikerduo.
Auch als Saenger war Carrell erfolgreich. In vielen seiner Shows sang er Titel und hatte mit „Wann wirds mal wieder richtig Sommer?“ 1975 (nach der Melodie von „The City of New Orleans“ von Arlo Guthrie) und „Goethe war gut“ 1978 zwei Single-Hits in Deutschland, anschliessend noch den nachdenklich-komischen Nachfolgehit „Der Herr gab allen Tieren ihren Namen“. Daneben schuf Carrell mit „Du bist mein Hauptgewinn“ auch das (erfolglose) Lied der ARD-Fernsehlotterie 1977.
1979 erschien seine Autobiografie Gib mir mein Fahrrad wieder. 1981 sendete der WDR Rudi kanns nicht lassen, im Herbst des gleichen Jahres startete Rudis Tagesshow, eine bei Radio Bremen produzierte Persiflage auf die Tagesschau der ARD. Einen Skandal mit internationalem Ausmass und Morddrohungen handelte er sich ein, als er in der Sendung vom 15. Februar 1987 Ayatollah Khomeini im Gegenschnitt in Damenunterwaesche wuehlen liess.
Ab 1984 lief Die verflixte Sieben, eine Show, die an den Erfolg vom laufenden Band anknuepfen sollte. Jeder Kandidat erhielt und tauschte waehrend der Sendung sieben symbolische Gegenstaende. Jeder Gegenstand stand verschluesselt fuer einen Gewinn oder eine Niete. Ziel war es, am Schluss das zurueckbehaltene, vermeintlich wertvollste Symbol gegen einen Gewinn - der eben auch eine Niete sein konnte - einzutauschen. Zum gefluegelten Wort entwickelte sich dabei der in jeder Folge mehrfach vorkommende Ausspruch: „Das waere Ihr Preis gewesen!“
Eine weitere, mittlerweile mancherorts bereits als „Kult“ bezeichnete Sendung startete 1987 mit der Verkupplungs-Show Herzblatt. Die Sendung lief bis Mitte 2006 und wurde zuletzt von Alexander Mazza, dem siebten Moderator, praesentiert.
1988 bis 1992 moderierte Rudi Carrell eine wiederum als Rudi-Carrell-Show „Lass dich ueberraschen“ bezeichnete Sendung in der ARD (24 Folgen), in der den Kandidaten ueberraschend ihre Herzenswuensche erfuellt wurden und Imitatoren von Musikstars auftraten.
Zur Einfuehrung der neuen fuenfstelligen deutschen Postleitzahlen 1993 moderierte er auf RTL eine neue Show („Die Post geht ab!“), die diese aenderung den Buergern naeher bringen sollte. Bald wurde das Format eingestellt, u.a. auch weil es zu sehr an seine fruehere Sendung Am laufenden Band erinnerte.
Seit 1996 produzierte und moderierte er die Show 7 Tage, 7 Koepfe, die vom Privatsender RTL ausgestrahlt wurde. Ende 2002 zog er sich vom aktiven Dienst vor der Kamera zurueck und arbeitete seitdem – von Gastauftritten abgesehen – nur noch hinter den Kulissen.
In einem Interview im November 2005 bestaetigte der Showmaster gegenueber der Zeitschrift Bunte, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei. Krank fuehle er sich aber trotzdem nicht: „Krank sein heisst Fieber, Schmerzen, uebelkeit“, so Carrell in dem Gespraech. Ihm seien „all diese typischen Krankheitssymptome bisher Gott sei Dank erspart“ geblieben, aber er habe sich nach 51 Jahren mit bis zu drei Packungen Zigaretten pro Tag endlich das Rauchen abgewoehnt.
Bei der Aufzeichnung der letzten Folge 7 Tage, 7 Koepfe hat Carrell noch einmal selbst mitgewirkt. Stumm tritt er auf und gibt noch einmal den Running Gag der Show zum Besten: Er schuettet mit Hilfe eines Seiles ein Glas Wasser ueber die Hose von Harald Schmidt und verschwindet wortlos. Die Sendung wurde am 30. Dezember 2005 ausgestrahlt. In einem Interview scherzte Carrell: „Gags, die wir fuer ,7 Tage – 7 Koepfe‘ nicht gebrauchen koennen, hebe ich auf. Und wenn ich in den Himmel komme, werde ich damit etwas nebenbei verdienen.“
Am 2. Februar 2006 freute sich der schwer erkrankte Rudi Carrell sichtlich ueber die Ehrung fuer sein Lebenswerk mit der Goldenen Kamera in Berlin. Ihm war seine Krankheit anzusehen, auch seine Stimme klang schwach und heiser. Dennoch konnte er sein Scherzen nicht lassen und sagte: „Die Tatsache, dass ich hier heute Abend sein kann, verdanke ich vor allem meiner Krankenkasse, dem Klinikum Bremen-Ost und der deutschen Pharmaindustrie.“ Und er fuegte hinzu: „Mit so einer Stimme kann man in Deutschland noch Superstar werden.“
Am 17. Maerz 2006 erschien im Magazin der Sueddeutschen Zeitung ein laengeres Interview, in dem Rudi Carrell sehr offen ueber den Tod redete.
Rudi Carrell starb am 7. Juli 2006 gegen Mittag im Alter von 71 Jahren an Lungenkrebs. Er lebte zum Schluss zurueckgezogen auf seinem Gutshof in Syke-Wachendorf bei Bremen. Die Beisetzung fand auf Wunsch des Verstorbenen am 9. Juli 2006 im engsten Familienkreis statt.
Zitate
„Als ich nach Deutschland kam, sprach ich nur Englisch - aber weil die deutsche Sprache inzwischen so viele englische Woerter hat, spreche ich jetzt fliessend Deutsch!“
„Deutschland hat mir zehn Mal mehr gegeben, als ich mir je erhofft habe. Ich verdanke diesem wunderbaren Land mein Leben.“
„Ich werde noch lange als Wiederholung weiterleben.“
„Witze kann man nur dann aus dem aermel schuetteln, wenn man sie vorher hineingesteckt hat.“
„Nachrichtensprecher fangen stets mit ‚Guten Abend‘ an und brauchen dann 15 Minuten, um zu erklaeren, dass es kein guter Abend ist.“
„In 22 Toiletten im Bundestag wurde Koks gefunden. Die Putzfrau ist sofort zurueckgetreten.“
„Durch die hohen Benzinpreise aendert sich so manches. Jetzt kann man Frauen nicht mehr mit dem Satz beeindrucken: Ich habe einen Ferrari, sondern mit: Ich habe meinen Ferrari vollgetankt.“
„Im STERN stand ‚Rudi Carrell: Ich glaube, ich bin einmalig.‘ Dieses habe ich nie behauptet, aber statistisch stimmt es.“
„Wenn ich mich an jemandem raechen will, dann nehme ich ihm die Radkappe ab und tue ein Steinchen hinein.“
„Mit dieser Stimme kann man in Deutschland immer noch Superstar werden.” (Bei seinem letzten Auftritt vor grossem Publikum Anfang Februar 2006 anlaesslich der Verleihung der Goldenen Kamera fuer sein Lebenswerk, seine Stimme war zu dem Zeitpunkt bereits sehr geschwaecht)
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